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Bremervörder Anzeiger vom 3. August 2011

Vortrag "Polen in der EU"

Kriegsgräberfürsorge-Mitarbeiterin berichtete über Polen

Von Aranka Szabò

Frau Birigt Putensen

Sandbostel. Über die Geschichte, die wirtschaftliche Entwicklung und über das Denken junger Polen wissen die wenigsten Genaueres. In dem Vortrag „Polen in der EU“ räumte die Hamburgerin Birgit Putensen mit einigen Vorurteilen auf und berichtete von ihrer Arbeit als Jugendcampleiterin beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Verein Pro Europa e.V. hatte in die Gedenkstätte Sandbostel eingeladen.

Wer dachte, dass in der Historie nur. Deutschland, mitten in Europa gelegen, Angelpunkt europäischer Machtrangeleien gewesen ist, brauchte nur dem Vortrag der Hamburger Polizistin Birgit Putensen zuzuhören, um festzustellen, das dem nicht so ist. Die Geschichte Polens zeigt, dass der Staat Polen immer wieder zwischen den Linien und damit Interessen großer Mächte stand und als solcher es immer wieder schwer hatte, seine Souveränität zu erhalten, zu bewahren und auch wiederzuerlangen.

Mit dem Angriff auf Polen seitens des Deutschen Reiches am 1. September 1939, der gleichzeitig Beginn des Zweiten Weltkrieges war, wurden die Polen zuletzt ihrer Souveränität beraubt. Sechs Millionen Polen, darunter drei Millionen polnische Juden, verloren bis 1945 ihr Leben. Die Grenzen Polens wurden mit dem Friedensabkommen 1945 neu geregelt. Für viele Polen bedeutete das, mit Nichts in den Händen auf das Territoriums des heutigen Polens zu fliehen. „Die Polen, die heute in den Gebieten, in den Häusern der vertriebenen Deutschen leben, sie sind selbst Vertriebene aus ihrer angestammten Heimat“, sagte Putensen.
Die Geschichte Polens, so zeigte der Vortrag, ist auch von Widerstandsbewegungen geprägt. Sei es der Warschauer Aufstand am 1. August 1944 gegen das nationalsozialistische Regime oder die Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc mit ihren Streikbewegungen im Sommer 1980 gegenüber der sozialistischen Regierung. Infolge derer kam es 1989 zu den ersten freien Wahlen im damaligen Ostblock, einer Änderung der Verfassung und einer Loslösung von der Zwangsallianz mit den sozialistischen Staaten.

Seit dem 1. Mai 2004 ist Polen Mitglied, der Europäischen Union.
Der Transformationsprozess von einem sozialistischen Wirtschaftssystem zu einem kapitalistischen meistert das Land, nach anfänglichen Problemen, gut. Als einziges Mitgliedsland der EU hat Polen die Wirtschaftskrise ohne Rezession überstanden. Dieses Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent steigen. Die Angst vieler Deutscher, polnische Arbeitnehmer würden mit der Liberalisierung des europäischen Arbeitsmarktes am 1. Mai 2011 den deutschen Arbeitsmarkt überschwemmen, bestätige sich nicht, sagte die Referentin. Im Gegenteil, wo Polen in früheren Jahren bereitwillig in westlichen Ländern nach Verdienstmöglichkeiten suchten, arbeiteten sie heute lieber in ihrem Heimatland. Das Nettoeinkommen sei mittlerweile auf 1000 Euro im Monat angestiegen. Putensen berichtete von einem starken wirtschaftlichen Unterschied zwischen ländlichen Regionen und Ballungszentren. Während in ländlichen Gebieten die Arbeitslosigkeit bis zu 20 Prozent betrage, herrsche in Großstädten annähernd Vollbeschäftigung.

Als Leiterin von internationalen Jugendcamps reist die Hamburgerin bis zu viermal im Jahr nach Polen. Sie berichtete im Rahmen ihres Vortrages von ihrer Arbeit mit den Jugendlichen, die sich auch mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen. So erhielten Jugendliche, durch Gespräche mit Zeitzeugen, gelegentlich auch Hinweise auf Orte, wo deutsche Soldaten zu Kriegszeiten verscharrt wurden. Zusammen mit dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge werden diese dann auf Soldatenfriedhöfe umgebettet. Gelegentlich, so berichtete Putensen, fänden sich bei den Toten die Erkennungsmarken, so dass die Nachkommen über den Verbleib ihres Angehörigen informiert werden könnten. Mittlerweile seien die Vorurteile und die Angst der Polen vor den Deutschen weitgehend überwunden, sage Putensen. Gerade die jüngere Generation stünde den Deutschen, auch durch ihre Arbeitserfahrungen in Deutschland, den Deutschen und Deutschland positiv gegenüber.